Diesen Blogpost gibt es auch als Podcast-Folge zu hören, inklusive einer passenden Übung zum Mitmachen. Ich möchte in diesem Blogpost darauf eingehen, warum ich finde, dass uns Reminder und Wake-Up Calls, also Erinnerungen und Weckrufe, dabei unterstützen, Achtsamkeit in unser Leben zu bringen und lebendig zu halten. Viele Erkenntnisse und Aha-Momente die wir in unserer Achtsamkeitspraxis erleben, geraten manchmal schnell wieder in Vergessenheit. Eine Rolle spielt dabei unser Geist, der dazu tendiert, in den Autopilot-Modus, eine Art „Trance-Zustand“ zu verfallen.
Der Autopilot-Modus
Wenn wir auf Autopilot sind, sind wir uns unserer Erfahrungen nicht bewusst, und wir reagieren häufig automatisch in Situationen. Zum Beispiel können wir in einem Auto manchmal lange „auf Autopilot“ fahren, ohne tatsächlich den Autopiloten einzuschalten. Oder wir nehmen zum Beispiel eine Tasse in die Hand, um unseren Tee auszutrinken und stellen dann fest, dass wir ihn bereits ausgetrunken haben. Auf die gleiche Weise sind wir vielleicht einen Großteil unseres Lebens nicht wirklich „präsent“, Moment für Moment. Wir können oft „meilenweit weg“ sein, ohne es zu wissen. Wenn wir uns im Autopilot-Modus befinden, können Ereignisse um uns herum sowie Gedanken, Gefühle und Empfindungen, alte Denk- oder Verhaltensgewohnheiten auslösen, die oft nicht hilfreich sind. Der Autopilot-Modus entsteht im als neuronale Pfade die schon stark genutzt wurden. Je öfter ein Pfad benutzt wird, desto stärker wird er, und das Gehirn neigt dazu, diese „plattgetretenen“ und am einfachsten zu nehmenden neuronalen Pfade zu benutzen, da diese weniger Energie benötigen. Das soll nicht heißen, dass der Autopilot „schlecht“ ist oder nicht seinen Platz hat, aber mit Achtsamkeit zielen wir darauf ab, eine Wahlmöglichkeit einzuführen, so dass wir wählen können, was wir automatisch tun und worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten.
Vorteile vom Autopilot-Modus: Wir können effizient denken und uns bewegen. Es ist wenig Aufwand erforderlich. Wir können vergangene Erfahrungen zur Problemlösung nutzen. Wir können neue Situationen oder Informationen schnell einschätzen. (Bsp. Schuhe binden, radfahren..)
Nachteile vom Autopilot-Modus: Wir verpassen viele der kleinen Details, die unser Leben bereichern. Wir haben keine Wahl, wie wir denken oder uns verhalten. Wir können falsche Annahmen treffen. Wir wiederholen weiterhin Denk- und Verhaltensmuster, die uns nicht mehr hilfreich sind.
Mindwandering und Tagträumen
Im Autopilot-Modus verfallen wir auch oft ins „mindwandering“, also Gedankenwandern, tagträumen etc. Jener Bereich im Gehirn, der mit selbstbezogenen Denken und Gedankenwandern in Zusammenhang gebracht wird, ist auch Default-Mode-Netzwerk genannt worden. Die Region ist weniger aktiv während Aufgaben, die eine kognitive Anstrengung erfordern sowie bei Meditierenden. Doch auch dieses Tagträumen und „ins Narrenkastl schauen“ hat auch seinen Wert. Einerseits ist es hin und wieder gut für das Hirn in den „Leerlauf“ zu schalten. Dabei werden oft Informationen neu sortiert und aufgeräumt. In diesem Zustand arbeitet unser Gehirn ganzheitlicher und vernetzter. Tagträumen und Mind-Wandering ist daher nicht immer schlecht oder zu vermeiden, sondern könne insbesondere für Kreativität und ungewöhnlichen Ideen von großer Bedeutung sein.
Dieser Trance-Zustand vom Autopilot ist vor allem dann problematisch wenn wir uns verlieren in Sorgen und Planungen, in Urteilen über andere und in unserem geschäftigen Streben, Anforderungen zu erfüllen und Probleme zu lösen. Dann ist es leicht den Blick für das zu verlieren, was am wichtigsten ist. Wir vergessen, wie sehr wir uns danach sehnen, freundlich und offenherzig zu sein. Dieses Vergessen ist ein Teil des Trancezustandes – ein teilweise unbewusster Zustand, der wie ein Traum von der gesamten Realität abgekoppelt ist. Wenn wir in Trance sind, ist unser Geist eng, fixiert und normalerweise in Gedanken versunken. Unser Herz ist oft ängstlich oder gefühllos.
Von der Trance zur Präsenz
Wenn wir uns verirrt haben und etwas verloren sind, können wir eine Klärung herbeiführen, indem wir einfach innehalten und uns von unseren zerrenden Gedanken zu lösen, um uns unserer Erfahrung von Augenblick zu Augenblick bewusst zu werden. Dieses wache und unmittelbare Gewahrsein ist „Präsenz“. Wenn wir uns wieder vollständig mit der Präsenz verbunden haben, können wir uns dem, was in uns vorgeht – dem sich verändernden Fluss von Empfindungen, Gefühlen und Gedanken – ohne jeden Widerstand öffnen. Das erlaubt uns, unsere Lebensmomente mit Klarheit und Mitgefühl zu leben. Der Wechsel vom Verloren-Sein in unbewusster mentaler und emotionaler Reaktivität zur vollen Präsenz kann erlebt werden wie ein Erwachen aus der Trance.
Wenn wir in Trance sind und beispielsweise hektisch durch den Tag rasen, sind wir typischerweise in Gedanken versunken, vom Körper abgekoppelt und vom Herzen abgeschnitten. Achtsamkeit bietet einen Weg aus der Trance durch das, was wie ein „U-Turn“ in der Aufmerksamkeit gesehen werden kann (siehe Tara Brach: Radical Compassion). Wir machen eine Kehrtwende, wenn wir unsere Aufmerksamkeit von einer äußeren Fixierung – einer anderen Person, unseren Gedanken oder unseren emotional getriebenen Geschichten über das, was vor sich geht – auf die reale, lebendige Erfahrung in unserem Körper lenken. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit gezielt auf unser inneres Erleben lenken, können wir uns von der Trance zur Präsenz bewegen. Wir werden uns der kreisenden ängstlichen Gedanken bewusst, vielleicht einer Anspannung in den Schultern, dem Druck in der Brust etc. was uns vielleicht schön gewöhnlich und vertraut vorkommt.
Wake-Up Calls
Woher wissen wir, wann wir in Trance sind? Wir wissen es oft nicht. Es gibt einige Beispiele, die Menschen beschrieben haben, wie sie in ihren ganz individuellen Versionen des Trance-Seins aufgewacht sind:
- Ich habe gerade bemerkt, dass ich eine ganze Packung Snacks aufgegessen habe.
- Jeder ist heute der Böse. Ich finde, die Welt ist schlecht.
- Selbst die kleinen Dinge fühlen sich wie „einfach zu viel“ an.
- Ich höre jemandem zu und plane, was ich zu Abend kochen werden.
Das Erkennen unserer persönlichen Wake-Up Calls hilft uns, aus der Trance herauszutreten. Sie können helfen, Angst und körperliche Anspannung etc. ins Bewusstsein zu bringen. Reminder und Weckrufe ziegen uns, wo wir aus dem Gedankenstrudel aussteigen können und erinnern uns wieder an die Gegenwart und an förderliche Erkenntnisse. In oder vor einer Meditation sind dies oft Worte der Meditationsleitung oder Geräusche und andere Sinneswahrnehmungen. Im Alltag können diese Reminder bzw. Wake-Up Calls sehr vielfältig sein, wie zB ein Zitat, das an deiner Wand hängt, ein Lied, ein Buch, eine Naturerfahrung …(Bei mir hängt zB der Spruch „This Moment is you Life“ an der Wand und Eva Karels Orakelkalendar erinnert mich daran: „Das Zähneknirschen bringt uns auch nicht weiter. Bleib dem Schmäh stets zugeneigt, er ist unser letztes Ressort.“).
Bevor wir zur Abschlussübung gehen, möchte ich dir gern noch dazu ermutigen, mal bewusst darauf zu achten, wer oder was deine Reminder und Wake-Up Calls im Alltag sind. Manchmal sind es auch andere Menschen, die unsere Reminder sind, zB wenn wir gerade wo hin hetzen oder wie ich es in „Digital Mindfulness“ erwähnt habe, eine Freundin… Vielleicht ist es auch ein besonderes Zitat, das dir zusagt. Du kannst ja bewusst Bücher durchsuchen oder im Internet suchen und dir dann ein Zitat, einen Spruch der dich an deine Präsenz erinnert oder an eine Qualität, die dich daran erinnert was dir im Leben wirklich wichtig ist. Dann schreib dir das wo auf. Frage dich: „Wie erlebe ich gerade jetzt diesen Moment“ „Steht etwas zwischen mir und der Präsenz, des Jetzt?“ Einfache und kleine Fragen, die wir uns stellen, können uns manchmal schon auf Trance aufmerksam machen.
In der dazugehörigen Podcast-Episode zeige ich am Schluss noch eine passende Übung.