Tipps für eine traumasensitive Achtsamkeitsmeditation

Ich möchte ein paar Tipps und Hinweise teilen, die ich bei einem Workshop mit David Treleaven zu traumasensitive Achtsamkeit gelernt habe. Diese sind auch im Podcast mit einer Übung nachzuhören. Insbesondere für Menschen, die traumatische Stresserlebnisse erfahren mussten, ist Achtsamkeitsmeditation ohne entsprechende Anpassungen nicht die beste Wahl. Es ist daher gut zu wissen, was beachtet werden kann, damit Achtsamkeit hilfreich und nicht hinderlich oder sogar problematisch wird. Ich bin der Meinung, dass diese Tools auch für Beginner*innen unterstützend wirken, die noch wenig Erfahrung mit Methoden der Innenschau haben.
Traumatischer Stress: Die Reaktion auf schockierende und emotional überwältigende Situationen, die den tatsächlichen oder drohenden Tod, schwere Verletzungen oder die Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit beinhalten können

1. Window of Tolerance („Toleranzfenster“)

Ein hilfreiches Konzept, ist das „Window of Tolerance“ – das Toleranzfenster. Ein Begriff der von Dan Siegel geprägt wurde. Dieses Fenster beschreibt einen Gemütszustand bzw. Zustand unseres Nervensystems, in dem wir gut auf die Herausforderungen des Lebens reagieren können. Wir sind ruhig aber nicht zu müde und wir sind aufmerksam aber nicht übererregt. Wir befinden uns in einem optimalen Erregungszustand. Traumatische Erlebnisse und extreme Stresssituationen können  dazu führen, dass wir uns außerhalb unseres Fensters bewegen.

Hyperarousal versteht man einen Zustand eines anhaltenden erhöhten Aktivierungsniveaus des autonomen Nervensystems (Übererregbarkeit). Das zeigt sich dann beispielsweise in extremer Nervosität, Wut, dem Gefühl außer Kontrolle zu sein. Hypoarousal hingegen ist der Zustand von zu geringer Aktivierung. Das geht oft einher mit einem emotionalen Taubheitsgefühl, Depression, starker Müdigkeit.
Wenn wir das Gefühl haben, dass wir uns außerhalb unseres Toleranzfensters befinden oder auch durch äußere Umstände, unser Toleranzfenster (vielleicht temporär) verkleinert ist, können einige Anpassungen die Achtsamkeitsmeditation verträglicher gestalten. Wenn du zu einer Meditationsleiterin oder einem -leiter in der Stunde bist, wird die Meditation auch manchmal schon so angeleitet oder dir vorab Erklärungen angeboten. Alleine zuhause oder wenn du mit Apps etc. meditierst fehlen die Erklärungen oft, daher möchte ich dir nun ein paar Ideen für deine eigene Meditationspraxis vorstellen:

2. Bremsen betätigen

Wenn du das Gefühl hast, während der Meditation oder anderen Übungen von Gefühlen überwältigt und überfordert zu werden, kannst du folgendes in deine Praxis einbauen:

  • Augen öffnen: Manchmal kann es sich besser anfühlen, mit offenen Augen zu meditieren. Du kannst zB bewusst deine Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt lenken.
  • Mehr in Kontakt mit dir zu kommen und eventuell auch Körperhaltung ändern: Bring immer wieder deinen Körper in deine Wahrnehmung. Spüre wie du geerdet bist mit deinen Füßen am Boden, deinen Beinen oder Sitzknochen. Vielleicht tut es dir aber auch gut, deinen Körper eher zu bewegen, als im Sitzen zu meditieren. Du kannst auch ein Objekt in deiner Hand halten, das du erspürst.
  • Pausen einbauen: Baue Pausen ein, in denen du zB. ein paar langsame, tiefe Atemzüge machst. Du kannst diese auch bewusst auch in den Bauch schicken und spüren, wie dein Bauch durch die Atmung bewegt wird.

3. Innere Ressourcen

Ich finde es generell hilfreich, sich persönliche innere Ressourcen bewusst zu machen. Diese Ressourcen können zB sein bestimmte Erinnerungen, Bilder, Menschen, Wörter, Gesten, die uns nähren (im Sinne von Kraft, Energie, Geborgenheit, Wärme). Tara Brach erwähnt in ihrem Buch „Radical Compassion“ ein paar Beispiele ihrer Schüler*innen: „Ich lege mich auf die Erde, oder lehne mich an eine große alte Eiche hinter unserem Haus. Ich lasse meine Sorgen von der Weite der Erde und des Himmels halten. Und wenn ich in meinem fensterlosen Zimmer in zwölf Stockwerken Höhe sitze, stelle ich mir das alles vor.““Ich kuschle mit meinem Hund zusammen, oder wenn sie nicht da ist, stelle ich mir vor, wie aufgeregt sie jedes Mal ist, wenn ich nach Hause komme, wie sie schläft, an meine Beine gedrückt.“

Ressourcen werden für jede*n anders aussehen. Das kann eine intensive Erinnerung von dir in der Natur sein, die du mit allen Sinnen erlebt hast oder auch eine Geste mit der du deine Hände auf dein Herz legst und die Wärme spürst, die entsteht. Du kannst dann versuchen dir vor einer Meditation diese Ressource bewusst machen oder sie auch während schwierigen Momenten in der Meditation, in denen  du spürst, dass es zu viel wird oder du mehr Halt benötigst. Diese Ressourcen können dir als Anker dienen und zwar nicht nur in einer schwierigen Phase in oder vor einer Meditation sondern auch in Alltagssituationen, wenn du spürst, dass dir ein nährendes, stärkendes und halt gebendes Gefühl gut tut.

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